Samstag, den 13.11.21, die SPD Zülpich feiert die Einweihung ihres neuen Parteibüros „Rot“ an der Münsterstraße. Es gibt Plätzchen, Punsch, Kaffee und Poetry Slam, Interviews, Verlosung und gute Laune. Aber auch: der verkehrsmäßige Irrsinn.
Die Münsterstraße wird als Durchgangsstraße vom Autoverkehr dominiert. „ Auf die Straße, fertig, los!“. Ohne Unterlass rauschen die Autos durch die enge Straße, und nur für wenige Fahrer gilt die Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 km/h. Wo wollen sie hin? Was suchen sie? Parkplätze? Damit es nicht so weit zur Buchhandlung, zum Bäcker oder Metzger ist? Die Stadt hat hier klare Prioritäten gesetzt, entlang des gesamten, ohnehin schon engen Straßenabschnitts parken Autos – kostenlos.
So werden Autos angelockt, die Lotterie beginnt, es sind 12 Parkplätze zu vergeben. Nichts wie los. Weitere Szenarien an diesem Samstag: Ein Radfahrer, der gegen die Fahrtrichtung fahren darf, wird von der Straße von einem schimpfenden Autofahrer gedrängt und gerät in Konflikt mit dem Fußverkehr. Ein SUV-Fahrer stellt seinen „Stadtpanzer“ kurz in Höhe der ehemaligen Adler Apotheke auf den Bürgersteig, macht die Warnlampe an und erledigt seine Geschäfte. Ein eiliger Fahrer fährt zum zweiten Mal mit lauter Musik seine Runde durch die Münsterstraße. Hier gilt: in dubio pro Auto. Nicht nur den ganzen Samstag über, sondern auch noch in der autozentrierten Stadtplanung Zülpich.
Ca. 75 Prozent unserer Innenstadtstraße wird dem Auto gegeben und damit dem Lebensraum genommen. Eine Stadtleitung mit nachhaltiger Verantwortung und Stil muss die Straße und damit die Stadt den Menschen zurückgeben. Dies reduziert die Lärm- und Abgasbelastung. Und es gibt –bekannterweise- größere Bedrohungen als den Verlust von (12!) Parkplätzen in der Innenstadt.
Sind die Verantwortlichen der Stadt zu inaktiv? Haben sie zu viel Benzin und damit das Auto im Kopf. Gibt es einen Masterplan? Vielleicht. Es gibt tatsächlich eine Initiative in Zülpich, unterstützt von einem Institut, die den öffentlichen Raum auf den Prüfstand stellt, um ihn eventuell neu zu gestalten. Aber auch neu zu verteilen? Seit über einem Jahr liegen alternative Pläne und Varianten vor. Die autofreie Fußgängerzone ist da (halbherzig) eine Variante unter mehreren. Es hat halt alles eine lange Entwicklungszeit und muss finanziert werden, so hört man. Bitte kein Geld für Strukturen und Bedürfnisse für gestern, sondern für eine attraktive und gemütliche Straße. Hier könnten die Menschen bummeln, in Ruhe miteinander reden, entspannt im Straßencafe sitzen und ungestört von vorbeifahrenden Autos einkaufen. Dies wäre letztlich ein Ort, den man so den Menschen zurückgeben könnte. Außerdem auch eine Einladung an Bürgerinnen und Bürger dort öfter zu sein.
Wahrscheinlich braucht es dafür bürgerschaftliches Engagement von unten, um sich die Straße zurückzuerobern. Ich wünsche mir natürlich dabei eine aktive Rolle meiner SPD in Zülpich. Bei unserem Bürgermeister, Herrn Hürtgen, wäre ein Blick auf die Kollegin Hidalgo in Paris hilfreich, die mit der Verkehrswende ernst gemacht hat. Sie machte den Straßenraum in der Innenstadt zu dem, was er einmal war: zum Ort der Begegnung. Das kann man auch in kleinen Städten umsetzen. So geht es auch in Zülpich zuvorderst um eine verbesserte Lebensqualität, auch auf der Münsterstraße.